Tages-Anzeiger E-Ausgabe vom 18.02.2009 / Lorenz Schmid

Männer als Opfer von häuslicher Gewalt werden kaum wahrgenommen. Einzelne erheben auf Tagesanzeiger.ch sogar Vorwürfe gegen die Behörden, als Opfer nicht ernst genommen worden zu sein.  

Hohe Dunkelziffer bei häuslicher Gewalt gegen Männer

«Tja, ja, die Waffen der Frau.» Mit diesem lapidaren Kommentar wurde ein Leser von Tagesanzeiger.ch von der Polizei abgespeist, als er eine Anzeige wegen sexueller Nötigung gegen seine Ex-Frau aufgegeben hatte. Auch andere Leser schildern ihre Erlebnisse, die bis zum Verweis aus der gemeinsamen Wohnung gehen. Offenbar ist das Rollenmuster, welches den Mann grundsätzlich als Täter bei einem Konflikt in der Partnerschaft sieht, noch fest in vielen Köpfen verankert.

Michael De Luigi, Vorstandsmitglied des Vereins Mannschafft.ch kennt denn auch viele Schicksale von Männern, deren Fall von den Behörden verharmlost worden ist. «Das kann so weit gehen, dass sich ein Polizist weigert, eine Anzeige aufzunehmen.» Noch schlimmer werde es, wenn sich die Frau als Opfer darstellt. «Neben einem Wohnungsverweis kann dann besonders eine Kontaktsperre zu den gemeinsamen Kindern für den Mann sehr einschneidend sein.»

Die Polizei gibt sich neutral

Den Vorwurf, bei häuslicher Gewalt einseitig zugunsten der Frau einzugreifen, lässt man bei der Kantonspolizei dagegen natürlich nicht gelten. «Erhält die Polizei Kenntnis von Häuslicher Gewalt, schreitet sie ein, unabhängig davon, ob es sich um männliche oder weibliche Tatverdächtige handelt», sagt Marcel Strebel, Chef der Informationsabteilung der Kantonspolizei Zürich. Im Jahr 2007 seien in rund einem Viertel der 1608 registrierten Fälle von häuslicher Gewalt Männer die Opfer gewesen.

Dass die Gewaltstatistik im Bezug auf die Geschlechteranteile einseitig ist, führt Luigi neben dem männlichen Selbstbild auch auf «die Unterdrückung des Problems der häuslichen Gewalt gegen Männer durch die Polizei» zurück. Der Verein Mannschafft.ch übt deshalb auch Kritik am Zürcher Gewaltschutzgesetz. Dieses sei zu stark auf den Schutz der Frau ausgerichtet und vernachlässige Kinder, Jugendliche und Männer als Gewaltopfer. Anstelle der im Gesetz vorgesehenen Bestrafung erachtet Mannschafft.ch vor allem die Behandlung der gestörten Kommunikation in der Partnerschaft als die nachhaltigere Lösung.

Dass Frauen als Täterinnen nur selten in Erscheinung treten, wie dies von der Polizei registriert wird, bezweifeln auch viele Kommentatoren auf Tagesanzeiger.ch. Einer von ihnen wagt die These, dass «einem wesentlichen Teil der physischen Ausraster von Männern […] lang anhaltende psychische Gewalttätigkeit der Frau» vorausgegangen sei. Laut Strebel sind die Motive, die zu einer Straftat führten aber zu unterschiedlich, um daraus einen Trend ableiten zu können. «Im Laufe der Ermittlungen und des Strafverfahrens werden selbstverständlich die Motive ergründet, die zu einer Straftat geführt haben. Letztlich müssten alle Akten eingesehen werden, um ein unfassendes Bild zu erhalten.»

 

Kommentar des VeV

Dem Tagesanzeiger gebührt ein grosses Lob. Nicht nur dafür, diesen Artikel geschrieben zu haben, sondern auch dafür, auf die Kommentare zum vorherigen Artikel so prompt reagiert zu haben.