Arne Hoffmann zerpflückt das Märchen von prügelnden Männern und geschlagenen Frauen.
Erschienen im Novo-Magazin Nr. 45
http://www.novo-magazin.de/45/novo4522.htm im April 2000
Wenn von Gewalt in der Partnerschaft die Rede ist, ist die Rollenverteilung im öffentlichen Bewusstsein klar verteilt: "Die Täter sind fast ausschließlich Männer", heißt es lapidar in Zeitungsartikeln zu diesem Thema, oder auch: "Jeder dritte Mann schlägt zu". Insgesamt, so ist zu lesen, erlitten Frauen mehr Verletzungen durch Schläge als durch Autounfälle, Straßenüberfälle und Vergewaltigungen zusammengenommen. Ermittlungen amerikanischer Autoren, Journalisten und politischer Organisationen zufolge werden annähernd sechs Millionen Frauen pro Jahr von ihren Ehemännern körperlich angegriffen, davon 1,8 Millionen auf besonders schwere Art und Weise. Das bedeutet: Alle fünf Sekunden findet ein solcher Übergriff statt, alle achtzehn Sekunden bleibt es nicht nur bei leichten Blessuren. Von einem "Krieg gegen Frauen" ist die Rede. Der deutschen Autorin Constanze Elsner zufolge begegnet jede dritte Frau "in ihrem Leben einem Mann, der sie kleinkriegen will – mit allen Mitteln". Für die Sozialwissenschaftlerinnen Anita Heiliger und Steffi Hoffmann ist häusliche Gewalt nur ein Symptom für die generelle Brutalität des Patriarchats. In ihrem von der Frauenoffensive München 1998 herausgegebenem Buch Aktiv gegen Männergewalt argumentieren sie, häusliche Gewalt sichere "die Kontrolle über das Leben von Frauen und hält sie in ihrer Stellung als Menschen zweiter Klasse".

Spätestens seit "Der Feind in meinem Bett" mit Julia Roberts ist das Thema häusliche Gewalt in aller Munde. Es existiert mittlerweile eine wahre Flut von Fernsehfilmen, die das Motiv der von ihrem brutalen Mann gehetzten Frau zum Inhalt haben. Als Folge davon entstehen immer mehr Initiativen und Gruppen wie "Männer gegen Männergewalt", bei denen versucht wird, dem Aggressionstrieb des maskulinen Geschlechts auf die Spur zu kommen und ihn unschädlich zu machen.

Tatsächlich aber geht körperliche Gewalt in der Partnerschaft zum überwiegenden Teil von Frauen aus, nicht von Männern. Insgesamt 95 wissenschaftliche Forschungsberichte, 79 empirische Studien und 16 vergleichende Analysen in kriminologischen, soziologischen, psychologischen und medizinischen Fachzeitschriften aus den USA, Kanada, England, Dänemark, Neuseeland und Südafrika zeigen auf, dass in Beziehungen die Gewalt entweder überwiegend zu gleichen Teilen von beiden Partnern oder aber hauptsächlich von der Frau ausging. Die Studien stimmen in ihren Erkenntnissen so deutlich überein, dass in der Fachwelt an diesen Verhältnissen nicht der geringste Zweifel mehr existiert. Dass weder Öffentlichkeit noch Politik diese wissenschaftlichen Ergebnisse bisher zur Kenntnis genommen haben, ist vermutlich einer der größten Skandale in der Geschlechterdebatte überhaupt.

Begonnen hat die Aufdeckung der weiblichen Täterschaft im Bereich häuslicher Gewalt schon 1980. Damals veröffentlichten in den USA Murray Straus, Richard Gelles und Suzanne Steinmetz eine vergleichende Untersuchung zu diesem Thema. Alle drei galten bis dato, vor allem in feministischen Kreisen, als Experten auf dem Gebiet "Gewalt in der Ehe". In all ihren bisherigen Untersuchungen waren Straus und seine Kollegen davon ausgegangen, dass verprügelte Ehemänner eher selten vorkämen und wenn, dann nicht sonderlich schwer verletzt würden. 1980 unterzog das Forscherteam noch einmal alle Studien, die es finden konnte – zu diesem Zeitpunkt etwa dreißig – einer gründlicheren Untersuchung. Sie kamen zu dem überraschenden Ergebnis, dass insgesamt 11,6 Prozent der Frauen, aber 12 Prozent der Männer angegeben hatten, geschlagen, geohrfeigt, getreten, gebissen, mit Gegenständen beworfen oder anderweitig angegriffen worden zu sein. (Manche Untersuchungen, die den Begriff "körperliche Gewalt" weiter fassten, kamen sogar auf 25 Prozent attackierter Männer gegenüber 16,5 Prozent Frauen.) Auf 1,8 Millionen weiblicher Opfer kamen also zwei Millionen männliche Opfer. Wenn alle 17,5 Sekunden eine Frau angegriffen wurde, dann alle 15,7 Sekunden ein Mann. Dieses Verbergen von relevanten Informationen, so Murray Straus, "fördert einige ärgerliche Fragen bezüglich wissenschaftlicher Ethik zutage". Nach erneuter, noch gründlicherer Prüfung des Datenmaterials präzisierten Straus und seine Kollegen ihr Ergebnis: In einem Viertel der Fälle ging Gewalt allein vom Manne aus, in einem Viertel ausschließlich von der Frau, in der Hälfte aller Fälle fetzte man sich gegenseitig ohne festgelegte Reihenfolge.

Die Vertreter der Frauenbewegung waren urplötzlich gar nicht mehr so glücklich mit ihren früheren Idolen. Die feministische Grundannahme drohte ins Wanken zu geraten. Viele Forscher im Bereich häuslicher Gewalt machten sich nun daran zu beweisen, dass die Studie von Straus, Gelles und Steinmetz ein einziger Schwindel sei – aber sie mussten erkennen, dass ihre eigenen Resultate deren Erkenntnisse bestätigten. Manche Studien ergaben sogar noch deutlichere Ergebnisse: Zum Beispiel zeigten sich amerikanische High-School-Studentinnen viermal so häufig wie männliche Studenten als einziger Gewaltanwender gegen das jeweils andere Geschlecht (5,7% : 1,4%). Eine Untersuchung in Neuseeland ergab, dass Frauen und Männer leichte Gewalt gegen das andere Geschlecht im Verhältnis von 36 zu 22 Prozent verübten, schwere Gewalt sogar im Verhältnis von 19 zu 6 Prozent. Straus befragte auch Frauen, die in Frauenhäusern Zuflucht gesucht hatten. Auch hier fand er heraus, dass etwa die Hälfte von ihnen ihren Partner von sich aus angegriffen hatten.

Straus wurde von nun an von derselben feministischen Literatur ignoriert und bekämpft, die ihn früher durchgehend zu zitieren pflegte. Ebenso sah er sich persönlichen Angriffen und Verleumdungen ausgesetzt. So ließ etwa die Vorsitzende der "Kanadischen Vereinigung gegen Gewalt an Frauen", Pat Marshall, das Gerücht verbreiten, Straus würde seine eigene Frau misshandeln – erst nach mehrmaliger Aufforderung entschuldigte sie sich bei ihm. Noch heftiger indes ging man gegen Suzanne Steinmetz, die Frau in Straus" Truppe, vor: Sie erhielt Bombendrohungen, und ihre Kinder wurden von Fanatikerinnen zur Zielscheibe erklärt. Offenbar ohne sich irgendwelcher Widersprüche in ihrem Handeln bewusst zu sein, griffen Anhängerinnen feministischer Ideologien zur Gewalt, um ihre Ansicht durchzusetzen, dass Frauen weitaus weniger gewalttätig seien als Männer.

Bald erhärteten Studien aus anderen Ländern die Ergebnisse von Straus" Forschergruppe, etwa aus Kanada: 18 Prozent der Männer und 23 Prozent der Frauen wurden dort gegenüber ihren Partnern gewalttätig, 10 Prozent der Männer und 13 Prozent der Frauen wandten schwere Gewalt an. Auch dort gaben die Soziologen, die diese Statistiken aufstellten, zunächst nur die Zahlen über die weiblichen Opfer an die Presse weiter, und oft stolperten später erst andere Wissenschaftler per Zufall über die tatsächlichen Zahlenverhältnisse in der handgreiflichen Variante des Geschlechterkriegs.

Gelten diese Zahlen auch für Deutschland? Vermutlich ja. So spricht eine vom kriminologischen Forschungsinstitut in Niedersachsen erstellte Studie von einer annähernd gleichen Zahl weiblicher und männlicher Gewalttäter bei Auseinandersetzungen in der Partnerschaft. Auftraggeber dieser Studie war das Frauenministerium der Bundesregierung – das deren Ergebnisse jedoch nur unter der Hand veröffentlichte. Sie waren ihm zu brisant, vermutet die Gewaltexpertin Luise Mandau, und passten ihm auch nicht ins politische Konzept. Zum selben Zeitpunkt, als die Ergebnisse der Studie vorlagen, wurde nämlich gerade wieder eine Kampagne "Gewalt gegen Frauen" gestartet, in deren Zusammenhang auf vielen hundert Broschürenseiten die "patriarchale Gewalt" der Männer gegeißelt wurde. Daraufhin ließ die Zeitschrift Focus ihre eigene Befragung durchführen und gelangte zu einem noch deutlicheren Resultat: In den alten wie in den neuen Bundesländern lag die Zahl der Männer bei den Opfern mittelschwerer bis schwerer Gewalt in der Partnerschaft um einige Prozent höher als die der Frauen.

US-Statistiken zufolge hat die Gewalt, die von Männern verübt wurde, seit 1975 weiter abgenommen, die von Frauen nahm hingegen zu. Während über die Ursachen häuslicher Gewalt nicht mehr sachlich diskutiert werden kann, werden die Prognosen der Experten immer düsterer. Ein Autorenteam ermittelte für die Fachzeitschrift Social Work, dass schon bei Teenagern in romantischen Liebesbeziehungen die Mädchen insgesamt häufiger gewalttätig reagierten als die Jungen. "Es gibt so viele gewalttätige Frauen wie Männer", erklärt auch Erin Pizzey, die Gründerin des ersten modernen Frauenhauses der Welt. "Aber es steckt viel mehr Geld darin, Männer zu hassen, vor allem in den Vereinigten Staaten – Millionen von Dollar. Es ist politisch gesehen keine gute Idee, das hohe Budget für Frauenhäuser zu bedrohen, indem man sagt, dass nicht alle Frauen dort ausschließlich Opfer sind. So oder so, die Aktivistinnen dort sind nicht da, um Frauen dabei zu helfen, mit dem fertig zu werden, was ihnen widerfahren ist. Sie sind da, um ihre Budgets zu begründen, ihre Konferenzen, ihre Reisen ins Ausland und ihre Stellungnahmen gegen Männer."

Die einseitige Propagierung der "häuslichen Gewalt" als männliches Problem wird auf gesellschaftlicher wie staatlicher Ebene unvermindert fortgeführt. Da "nach Schätzungen jede dritte Frau von häuslicher Gewalt betroffen" sei, möchte Frauenministerin Christine Bergmann im Schulterschluss mit Justizministerin Herta Däubler-Gmelin "gewalttätige Männer" aus ihrer eigenen Wohnung verweisen. Am 1. Dezember 1999 wurde ein entsprechender Aktionsplan der deutschen Bundesregierung verabschiedet. Ein ähnliches Modell gibt es bereits in Österreich. Wie viele dieser plötzlich obdachlosen Männer lediglich zurückgeschlagen haben, wie viele andere Männer es wegen eines so einseitigen Gesetzes nicht mehr wagen, sich zur Wehr zu setzen, bleibt offen. Auch vor Gericht soll es in Zukunft zügig und sehr einseitig zur Sache gehen: Vereinfachte Verfahren gegen Männer, verbesserte Schutzmöglichkeiten für Frauen verlangt das Berliner Interventionsprojekt gegen häusliche Gewalt (BIG). In der Schweiz wurde unlängst sogar über eine "Gewaltsteuer" für Männer diskutiert – zu entrichten hätten diese alle Männer und ausschließlich Männer. Warum? "Es muss zur Kenntnis genommen werden, dass die Zugehörigkeit zum männlichen Geschlecht das relevanteste gemeinsame Täterkriterium ist." Die Bündnisgrünen schlugen dasselbe Konzept dem Bayrischen Landtag vor, die Zeitschrift Emma fordert es für ganz Deutschland: "In den USA ist die Männergewalt die häufigste Verletzungsursache für Frauen, die in Krankenhausambulanzen eingeliefert werden mussten". Längst widerlegt, fröhlich weiterbehauptet – deutsche Leserinnen werden fehlinformiert.

Allerdings nicht nur die deutschen. In den nächsten vier Jahren möchte die EU 20 Millionen Euro für Projekte zur Ächtung von Gewalt ausgeben – von Gewalt gegen Frauen natürlich. 1993 verabschiedeten die Vereinten Nationen folgende Erklärung: "Jede geschlechtsbezogene gewalttätige Handlung, die einer Frau Schaden oder Leid körperlicher, sexueller oder seelischer Art zufügt oder wahrscheinlich zufügen wird, einschließlich der Androhung solcher Handlungen, der Nötigung oder der willkürlichen Freiheitsberaubung im öffentlichen oder privaten Leben", wird als Menschenrechtsverletzung definiert. Auch diese Erklärung bezieht sich ausschließlich auf das weibliche Geschlecht. Von Männern ist nicht die Rede.

Arne Hoffmann ist Lektor, Autor und Vorsitzender der Männerbewegung Mainz. Buchveröffentlichungen: Political Correctness. Zwischen Sprachzensur und Minderheitenschutz (Tectum Verlag, Marburg 1996). In seinem aktuellen Buchprojekt Mann, Frau, Error. Die 99 verbreitetsten Irrtümer über Frauen und Männer hat er Fakten und Informationen zusammengestellt, die in den Medien Deutschlands keine Beachtung finden. Noch sucht er für das Buch einen Verleger. Kontakt: LektoratsbueroHoffmann@gmx.de.